Wer eine Versicherung abschließt, hat die Pflicht, vor Abschluss des Versicherungsvertrages, die Fragen des Versicherers korrekt zu beantworten. Dabei spielt es zunächst einmal keine Rolle, ob es sich bei der Versicherung um eine Lebensversicherung, eine Berufsunfähigkeitsversicherung, eine private Krankenversicherung oder eine Sachversicherung handelt.
Diese Pflicht nennt man vorvertragliche Anzeigeobliegenheit. Der Versicherer soll nämlich das Recht haben, vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrages eine sogenannte Risikoprüfung vorzunehmen, bei der ermittelt wird, ob er überhaupt eine Versicherung abschließen will und wenn ja, zu welchen Konditionen.
Das Thema ist so wichtig, dass der Gesetzgeber diesen Fragen mehrere Paragraphen im Versicherungsvertragsgesetz gewidmet hat, nämlich die §§ 19-21 VVG.
Dabei ist es seit 2008 so, dass der Versicherte nur noch solche Fragen wahrheitsgemäß beantworten muss, nach denen er in Textform gefragt wurde. Für Fälle, bei denen der Vertragsschluss schon vor dem Jahre 2009 vonstatten ging, gibt es einige Ausnahmen, die hier nicht weiter beleuchtet werden sollen.
Der zu Versichernde muss also Fragen, die die Versicherung ihm stellt, wahrheitsgemäß beantworten. Allerdings sind nicht alle Fragen des Versicherers gefahrerheblich. Eine Anzeigeobliegenheitsverletzung kommt nur bezüglich solcher Fragen in Betracht, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind. Hierbei ist ein objektiver Maßstab anzusetzen. Es ist also danach zu fragen, welche Fragen für den Versicherer zwecks Prämien-und Leistungberechnung zur Gewinnung einer aussagekräftigen Kalkulationsgrundlage wichtig sind. Der Versicherer kann sogar verpflichtet werden, seine Geschäfts-und Risikoprüfungs-Grundsätze offen zu legen.
Der Versicherer muss den Kunden in Schriftform befragen. Hierbei ist es ausreichend, wenn er seinen Vertragskunden eine Fragebogen-Maske im Internet ausfüllen lässt. Ebenfalls ausreichend ist die Übermittlung eines Fragebogens per E-Mail oder per Telefax. Auch kann er einen Fragebogen per CD oder per USB-Stick an seine potentiellen Kunden senden.
Der Versicherer kann sich auch eines Vertreters bedienen, der die Erklärungen entgegennimmt. Stets kommt es als Zeitpunkt, in dem der Kunde die Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß beantworten muss, auf den Zeitpunkt seiner Vertragserklärung an. Passieren nach Abgabe der Erklärung und bis zur Annahme des Vertrages durch den Versicherer noch anzeigepflichtigen Umstände, stellt die Nichtmeldung dieser Umstände keine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit dar.
Hat der Kunde Fragen des Versicherers nicht bzw. nicht wahrheitsgemäß beantwortet, kann dies verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen. Die Spannbreite reicht vom Rücktritt vom Versicherungsvertrag bis zur Vertragsanpassung des Vertrages in Form von Risikoausschlüßen oder Prämienerhöhungen.
Dabei gilt der Grundsatz, dass vorrangig eine Vertragsanpassung geschehen soll. Lediglich dann, wenn der Kunde vorsätzlich Fragen falsch beantwortet hat, muss der Vertrag nicht vorrangig angepasst werden.
Die genannten Rechtsfolgen können nicht eintreten, wenn der Versicherer nicht auf die Folgen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung hingewiesen hat oder bereits Kenntnis von der Unrichtigkeit der Anzeige hatte oder aber wenn er nicht form- und fristgerecht seine Rechte geltend hat. Er muss nämlich innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung der Anzeigeobliegenheitsverletzung in Schriftform geltend machen. Tut er dies nicht, hat er seine Rechte verspielt.
Der Versicherte selbst hat in dem Falle einer Anzeigeobliegenheitspflichtverletzung und der damit einhergehenden Rechteausübung des Versicherers auch das Recht den Versicherungsvertrag zu kündigen, wenn der Versicherer seine Prämien um mehr als 10 % erhöht oder der Versicherer die Versicherung des nicht angezeigten Gefahrenumstandes ausschließt.
Wenn nun also der Versicherer aufgrund Falschbeantwortung von Fragen beim Vertragsschluss vom Vertrag zurücktreten will, hat er dabei verschiedene Hürden zu beachten. Ein Rücktrittsrecht steht dem Versicherer zunächst einmal nur zu, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch beantwortet wurde. Hierbei gilt zu beachten, dass zunächst einmal bei Vorliegen einer falsch beantworteten Frage vom Gesetz her vermutet wird, dass dies vorsätzlich geschah. Der Kunde hat dann zunächst zu beweisen, dass er dies nicht vorsätzlich und auch nicht grob fahrlässig getan hat.
Zurücktreten vom Vertrag kann der Versicherer im Falle einer grob fahrlässigen Falschbeantwortung dann nicht, wenn dem Kunden der Nachweis gelingt, dass der Versicherer den Vertrag auch in Kenntnis des falsch beantworteten Umstandes geschlossen hatte.
Wenn der Versicherer dann aber sein Rücktrittsrecht ausgeübt hat, sind grundsätzlich die beiderseitig empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Der Versicherer wiederum muss die erhaltenen Versicherungsprämien nicht vollständig zurückzahlen. Er darf die Prämien, die bis zum Zugang der Rücktrittserklärung bei ihm eingegangen sind, behalten. Dafür muss er im Versicherungsfall auch leisten. Der Kunde ist grundsätzlich verpflichtet, erhaltende Versicherungsleistungen zurückzuzahlen, es sei denn, es bestand aufgrund der erhaltenen Leistung kein Zusammenhang zu der falsch beantworteten Frage. Wenn also der Versicherungsfall nichts mit der falschen Beantwortung zu tun hatte, darf der Kunde die Versicherungsleistung behalten.
Der Versicherer kann den Versicherungsvertrag auch kündigen. Eine Kündigung hat allerdings erst immer eine Wirkung für die Zukunft. Hier reicht schon eine einfache Fahrlässigkeit in Bezug auf die, bei Vertragsschluss, falsch beantwortete Frage aus, damit der Versicherer das Recht zur Kündigung hat.
Die wichtigste Frage ist immer, ob der Versicherer für bereits eingetretene Versicherungsfälle aufgrund einer Falschbeantwortung von Fragen leistungsfrei werden kann.
Die Antwort ist eine typisch juristische: „Es kommt darauf an.“
Diese Leistungsfreiheit des Versicherers setzt immer voraus, dass der Versicherer wirksam seinen Rücktritt erklärt und ein Ursachenzusammenhang zwischen der Falschbeantwortung und dem Versicherungsfall oder aber zwischen der Höhe des Versicherungsfalls und der Leistungspflicht des Versicherers besteht. Wenn sich die falsch beantwortete Frage also weder auf das Schadensereignis, noch auf die Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers ausgewirkt hat, ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet. Der Haken hier ist aber, dass der Kunde den Beweis erbringen muss, dass hier kein Ursachenzusammenhang vorliegt.
Bleibt die Falschbeantwortung seit Vertragsschluss 10 Jahre unbemerkt, so kann der Versichwerer aufgrund der falschen Beantwortung keine Rechte mehr geltend machen – seine Rechte sind dann verjährt. Hatte der Kunde lediglich leicht fahrlässig oder unverschuldet falsch geantwortet, tritt Verjährung bereits nach 5 Jahren ein.
Der Versicherer hat aber (leider) immer eine weitere Möglichkeit sich vom Vertrag auch für die Vergangenheit zu lösen, indem er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtet. Dies kann er nur, wenn er dem Kunden nachweisen kann, dass dieser mit Arglist gehandelt hat. Das würde bedeuten, dass er dem Kunden einen Täuschungwillen nachweisen kann. Ein solcher Wille ist dann gegeben, wenn der Kunde bei dem Versicherer einen Irrtum hervorruft oder aufrecht erhält und den Versicherer aufgrund des Irrtums zu einem Vertragsschluss verleiten wollte. Weiter müsse der Kunde dabei wissen, dass der Versicherer ansonsten einen Vertrag nicht schließen würde. Ein solcher Nachweis ist sehr sehr schwierig. Gelingt dieser Nachweis wird der Versicherer von Beginn der Versicherung an leistungsfrei. Außerdem bezieht sich der Täuschungswille auch auf solche wesentlichen Umstände, nach denen der Versicherer nicht gefragt hat.
Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass es im Falle des Vorwurfes einer Anzeigeobliegenheitsverletzung gilt, ganz genau herauszuarbeiten, welches Verschulden den Kunden an der Obliegenheitsverletzung trifft. Vom Grad des Verschuldens hängt es ab, ob ein Versicherer tatsächlich leistungsfrei wird und ob sich diese Leistungsfreiheit auch auf vergangene Zeiten bezieht. Steht ein solcher Vorwurf im Raum, sollte sich der Versicherungsnehmer umgehend an einen Anwalt wenden.
Hierfür steht der Autor gern zur Verfügung.