Reiserücktrittskostenversicherung – Erstattung der Stornokosten bei unerwarteter Verschlechterung einer bereits bestehenden Erkrankung

Bei einer plötzlichen Verschlechterung einer bei der Reisebuchung bekannten Erkrankung, die ursprünglich die Durchführung der Reise nicht in Frage stellte, besteht Versicherungsschutz bezüglich der Stornokosten, wenn der Reisewillige zunächst von seiner Reisefähigkeit ausgehen durfte.

Dies entschied das Amtsgericht München mit seinem nunmehr rechtskräftigen Urteil vom 20.10.2010.
Im zugrunde liegenden Fall schloss der spätere Kläger im Dezember 2007 bei einem Versicherungsunternehmen eine Reiserücktrittskostenversicherung ab, die sämtliche zukünftige Reisen beinhaltete. Laut Versicherungsvertrag bestand kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall zum Zeitpunkt der Buchung der Reise vorhersehbar war, das heißt der Reisende mit dem Eintritt der Krankheit rechnen musste.

Knapp drei Monate später erlitt der Versicherte einen Bandscheibenvorfall. Eine Operation hielt der behandelnde Arzt aber nicht für erforderlich, sondern verordnete Anfang August eine Spritzentherapie. Nach Abschluss der Behandlung wurde dem Erkrankten vom Arzt mitgeteilt, dass er weiterhin nicht operiert werden müsste und dass sich sein Befund zu 90 Prozent gebessert hätte. Ende August buchte er schließlich für sich und seine Ehefrau für die zweite Novemberhälfte eine Reise nach Rom zum Preis von 1.553 Euro.
Ende Oktober musste er allerdings dann doch an der Bandscheibe operiert werden. Der Versicherte stornierte die Reise aufgrund der nun notwendigen Operation und wollte die angefallenen Stornokosten in Höhe von 916 Euro von der Versicherung ersetzt bekommen. Diese verweigerte allerdings eine Kostenübernahme. Nach Ansicht des Versicherungsunternehmens bestehe kein Versicherungsschutz. Es handle sich um einen seit Februar 2008 nicht auskurierten Bandscheibenvorfall. Daher sei zum Zeitpunkt der Reisebuchung bereits der Eintritt des Versicherungsfalles vorhersehbar gewesen, weshalb der Versicherte die Reise gar nicht erst hätte buchen dürfen.
Der Kläger sah dies anders und entgegnete, dass er zwischen Februar und Oktober 2008 zahlreiche Reisen zum Skifahren, Wandern und Radfahren ohne jegliche Probleme unternommen hätte. Er habe überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass er die Romreise nicht würde antreten können.

Das AG München gab dem Versicherten Recht und verurteilte das Versicherungsunternehmen zur Zahlung der Stornokosten. Zur Begründung führte der Richter aus: Der Kläger sei wegen einer unerwarteten, schweren Erkrankung zum Reiseantritt nicht in der Lage gewesen. Auch eine bei Buchung der Reise schon vorhandene und bekannte Krankheit könne unerwartet sein, wenn zunächst mit einer Reisefähigkeit gerechnet werden konnte. Bei der Beurteilung dieser Frage dürfe der Erkrankte auf die Auskünfte und Ratschläge der Ärzte vertrauen.

Unerwartet bedeute nicht, dass die Erkrankung nach Reisebuchung völlig neu entstehen müsse. Auch bei einer plötzlichen Verschlechterung einer bekannten Erkrankung, die vorher die Reise nicht in Frage stellte, bestünde Versicherungsschutz. In diesem Fall sei dem Kläger ärztlicherseits bestätigt worden, dass sich sein Krankheitsbild zu 90 Prozent gebessert habe und eine Operation nicht notwendig sei. Daher habe er auch nicht mit einer Operation und der dadurch eintretenden Reiseunfähigkeit rechnen müssen.